Hier gibt es unterschiedliche Reaktionen, ähnlich wie bei den 
    MS-Betroffenen selbst. Manche PartnerInnen neigen dazu, die MS zu ignorieren, 
    solange man nichts sieht. Das erzeugt leider eine Situation, die die 
    Betroffenen noch zusätzlich belastet, wenn sie mit Kranheitssymptomen 
    zu kämpfen haben und sich außerdem noch vom Partner  völlig 
    unverstanden fühlen. Gutgemeinte Empfehlungen und 
    Solidaritätsbekundungen, die wahrscheinlich die meisten Betroffenen von 
    ihren gesunden Mitmenschen kennen, können aus dem Munde des Partners 
    wie eine Ohrfeige wirken: bei diesem Wetter ist doch jeder schlapp; wenn Du 
    immer nur zuhause sitzt, kann es Dir ja gar nicht gutgehen; tu mal etwas 
    für Dich; Dir fehlt einfach frische Luft; mir geht es auch gar nicht 
    gut, ich bekomme wohl eine Erkältung; und ähnliches. Wie 
    verheerend sich gar solche Sätze auswirken: »Jetzt lass Dich doch 
    nicht so hängen!« oder »Stell Dich mal nicht so an!«, 
    bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung.
Andere PartnerInnen 
    hingegen identifizieren sich mit der Erkrankung des Partners und bezeichnen 
    sich selbst als »Mitbetroffene«. Sie informieren sich, machen 
    sich Gedanken über die weitere gemeinsame Lebensgestaltung, und etliche 
    besuchen Selbsthilfegruppen für Angehörige, um mit der Situation 
    besser zurechtzukommen. Nicht selten sind diese PartnerInnen mehr mit der 
    Bewältigung beschäftigt als die oder der Betroffene selbst. Dieser 
    Umgang mit der MS der Partnerin oder des Partners hat wahrscheinlich den 
    Vorteil, dass man nicht aus allen Wolken fällt, wenn sichtbare oder 
    schwerere Handicaps auftreten. Dann kann die/der betroffene PartnerIn in 
    diesen Situationen unter Umständen erheblich besser unterstützt 
    werden.
 Es gibt auch Menschen, die ihre schwerbehinderten 
    MS-betroffenen LebenspartnerInnen zu Hause pflegen. Die Pflege ist sehr 
    anstrengend, und diesen PartnerInnen gebührt meine ganze Hochachtung. Auf die 
    besonderen Probleme pflegender Angehöriger möchte ich hier nicht 
    näher eingehen. Interessierten kann ich hierzu den Besuch der Seite von  
    Peter Kern empfehlen, der seine MS-betroffene Frau Franziska bis zu ihrem viel zu frühen Tod am 21.12.2002 zu Hause versorgte. 
    
Somit sind, wie ich glaube, die häufigsten Partnerreaktionen in 
    ihren Eckpunkten beschrieben. Allerdings gehe ich davon aus, dass sich sehr 
    viele PartnerInnen mit ihrer Reaktion irgendwo zwischen diesen Polen 
    bewegen. Jedenfalls ist die Diagnose »MS« auch für die 
    Lebenspartner der Betroffenen ein Schock und nicht leicht zu verkraften.   
  
    Diese Frage wurde im April 2002 in der 
    ersten deutschsprachigen
    Mailingliste zur MS diskutiert. Einen meiner Ansicht nach sehr 
    praxisbezogenen, sehr ehrlichen und sehr bemerkenswerten Beitrag zu dieser 
    Frage veröffentliche ich nachfolgend im Original. Diese E-Mail stellt 
    die Zwiespältigkeit des Problems deutlich heraus und bedarf, wie ich 
    finde, keines weiteren Kommentars.
Ich danke Nico, dem Verfasser, 
    für seine freundliche Erlaubnis.
   
         
    Da ich auch Partner einer MS-Betroffenen bin und das schon viele Jahre, UND, 
    weil mir dieses Thema schon immer keine Ruhe läßt, möchte 
    ich gerne was dazu sagen.
    Der ideale Partner, aus meiner Sicht, nimmt sich viel Zeit, hört immer 
    zu, versucht immer zu verstehen, er muß viel Verständnis zeigen 
    und auch echt fühlen, aus diesem Verständnis heraus muß er 
    helfen, wo es geht, aber er darf dabei nie den Respekt vor dem kranken 
    Partner verlieren, auch wenn es zeitweise irgendwie einseitig wird. Er 
    muß bereit sein, sein Leben ständig etwas in eine Richtung 
    umzustellen, sollte ein Rollstuhl kommen, muß er prima damit klar 
    kommen, wenn er es mal nicht tut, darf er sich auch mal kurz ausheulen, aber 
    am nächsten Morgen sollte es dann schon gegessen sein. Er darf nicht 
    meckern, wenn immer nur nach dem Befinden vom kranken Partner gefragt wird, 
    denn selten wird gefragt: Und wie gehts DIR eigentlich ?
    Finanzielle Einbußen, die meistens durch diese Krankheit entstehen, 
    steckt er locker weg und vor allem wenn Kinder da sind, ist er 
    natürlich bereit, neben den Kröten, die ja von irgendjemanden 
    verdient werden müssen, eine viel wichtigere Rolle bei Einkauf und 
    Haushalt zu spielen.
    Er darf nie genervt sein, wenn er ständig zu irgendwelchen 
    Botengängen geschickt wird (holst du schnell ne Limo ach und bring die 
    Fernbedienung mit und wenn du schon dabei bist, schalt die Waschmaschine auf 
    Schleudern). Naja, der ideale Partner macht es immer gerne, weil er 
    weiß, das all diese schnellen Wege, die ja nur ein paar Sekunden 
    dauern, für den kranken Partner viel länger dauern würden und 
    dann wär der Film aus.
    Natürlich hat der ideale Partner auch Nachtdienst, weil der kranke 
    Partner oft zu langsam aus dem Bett kommt, wenn das Kind schreit, und wenn 
    man nicht schnell genug beim Kind ist, schreit es so sehr, das es kotzt.
    Im Urlaub hat er absolut kein Problem, mit Rollstuhl an den Strand zu 
    fahren, immer darauf zu achten, das egal wo man hinfährt, ein Klo in 
    der Nähe ist. Natürlich muß der ideale Partner seine 
    Urlaubswünsche zurückstecken, wenn es um Berge oder längere 
    Reisen geht, lange Gehstrecken, Kühlung von Betaferon etc.
    Wenn ich das so schreibe, bemerke ich an mir selbst ein klein bißchen 
    Verbitterung. Niemand kann was dafür das der Partner krank geworden 
    ist. Ich schwör euch, ich bemüh mich immer wieder, dieser ideale 
    Partner zu sein und vor allem dabei auch glücklich zu sein. Aber es ist 
    verdammt schwer, so ein Leben ist eine verdammt lange Zeit und es gibt schon 
    Situationen, wo man gerne alles hinhauen würde.
    Ich will ja, ich möchte auch und eigentlich bin ich von Grund auf ein 
    zufriedenener, bescheidener Mensch, das macht es leichter. Wenn mir aber ein 
    MS-Patient sagt, er wurde von seinem Partner verlassen, dann werde ich nicht 
    den ersten Stein werfen, er hat es dann wohl wirklich nicht geschafft. Ich 
    glaube nicht, das eine intakte Beziehung in jedem Fall weiter intakt ist, 
    wenn ein Partner erkrankt, es kommen völlig neue Probleme auf einen zu, 
    völlig neue Lebensziele, alles muß neu abgesteckt werden, so 
    einfach ist das alles nicht. Charakterlose Rindviecher gibt es auf beiden 
    Seiten, im Grunde muß jeder für sich selbst entscheiden, wie er 
    leben will, man hat nämlich wie es aussieht nur dieses eine Leben. Man 
    kann noch entscheiden, wie sein Leben weitergehen soll, der MS-Kranke hat 
    schon nicht mehr so viel Möglichkeiten dies zu entscheiden. Das ist 
    UNFAIR. Aber der Lebenspartner kann das halt auch nicht ändern und 
    DAFüR kann er schon überhaupt nichts.
    Ich bin etwas nachdenklich und hoffe, niemanden irgendwie verletzt zu haben 
    mit diesen Zeilen. Es müssen wohl beide Seiten sehr viel 
    Verständnis füreinander aufbringen. BEIDE.
    Euch alles Gute und schreibt bitte weiter, was ihr denkt, auch wenn es 
    manchen hier auf den Keks geht, weil sie ja eh schon alles wissen. Eure 
    Gedanken lassen diese Liste genauso leben wie ein Fachgespräch mit 
    Fakten und Zahlen. Das gehört halt AUCH zu einer guten Liste. Ich bin 
    gerne bei euch.
    Nico
    © 2002 Nico
   
    »Nicos Breitseite« bewegte die Gemüter. Eine der Antworten 
    möchte ich den LeserInnen, die bis hierher ausgehalten haben, auf 
    keinen Fall vorenthalten. Hier wird meiner Ansicht nach das ganze 
    Ausmaß des Dilemmas, in dem sich sowohl Betroffene als auch Partner 
    schon einmal befinden können, eindrucksvoll spürbar. Und auch diese Antwort 
    spricht für sich, weshalb ich sie nicht weiter kommentieren möchte.
    
Diese Veröffentlichung erfolgt ebenfalls mit Zustimmung der Verfasserin. 
    Vielen Dank, Tanja! 
   
    Hallo Nico! Hallo Alle!
 Mir hat das Mail sehr traurig vor Augen 
    geführt, wie sich mein Thomas zur Zeit wieder fühlen muss.
    
 Denn mir geht es wieder sehr schlecht zur Zeit. Teils MS,teils 
    Magen/Darmgeschichte, teils Kreislauf.
 Ich schaff gar nichts, und 
    das wurde mir wieder bewusst, und dann muss alles Thomas erledigen und was 
    mach ich - ich mecker und jammere!! Ich arme! Es ist mir peinlich, aber 
    danke Nico, denn oft weiss ich gar nicht, was es für Thomas für eine 
    Belastung ist. Und der Arme jammert nie!
 Das wollte ich nur kurz 
    dazu sagen.
 Leider kann ich nicht die anderen Mails noch lesen -
    ich bin einfach zu schlapp. Danke Nico das du mir die Augen geöffnet hast.
Tanja
    © 2002 Tanja
   
    Nun, ich denke, mancher Schrecken kann durch gute Information verringert 
    oder vermieden werden. Allein das hat mich bewogen, diese Beiträge, die 
    ja beide hervorragende Informationen »aus erster Hand« liefern, 
    auf diese Seite zu stellen. Mein Wunsch ist, dass sie sowohl MS-Betroffenen 
    als auch ihren LebenspartnerInnen gegebenenfalls Stoff zum Nachdenken 
    liefern. Und vielleicht kann es ja wirklich für manche LeserInnen 
    hilfreich sein, etwas zu wissen über die Klippen, die vielleicht einmal 
    umschifft werden müssen.
 Andere mögen es unter 
    Umständen erleichternd finden, wenn sie erfahren, dass sie mit derartigen
    Erlebnissen nicht alleine dastehen, sondern dass sich in anderen 
    Partnerschaften möglicherweise ähnliche Situationen abspielen.
   
© 2003 Jutta Albrecht          Impressum